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Klimawandel trifft Kultur – Inspiration zum Machen & Vernetzen schaffen

Wie lassen sich Klimaschutz und Nachhaltigkeit ins Kulturgeschehen integrieren? Was kann die Kreativszene beitragen? Ideen im Workshop mit Julie's Bicycle.

© Sebastian Becker

Spätestens wenn langanhaltende Hitzewellen und krasse Wetterumschwünge die Alltagsgespräche dominieren, sollte der Klimawandel mit seinen Folgen fest im öffentlichen Bewusstsein verankert sein. Und doch redet bloß ein Drittel der Menschen wirklich über dieses Thema. Umso wichtiger, dass Klimaschutz rundum salonfähig und ein selbstverständlicher Wirkungsbereich – auch in der Kultur- und Kreativ-Szene wird. Um hier wertvolle Impulse zu geben, Netzwerke zu fördern und einen gesunden Nährboden für Projekte zu bereiten, hat ecce am 09. Oktober 2018 eingeladen: zum Workshop und Erfahrungsaustausch mit der britischen Umweltorganisation Julie’s Bicycle  sowie verschiedenen Projektverantwortlichen aus der Region.

Inspiration & Weiterdenken – damit aus Möglichkeiten Handeln entsteht

Als Trägerin des Sonderpreises für Klimaschutz beim NICE Award 2016  hat sich Julie’s Bicycle bereits einen Namen unter den hiesigen AkteurInnen gemacht. Seit nunmehr zwölf Jahren begleitet das Team Städte, Institutionen und Unternehmen beim Kulturwandel hin zu einem klimafreundlichen Wirtschaften. Dabei hat sich ein weitreichender Erfahrungsschatz angesammelt, der anhand von Best-Practice-Modellen schnell nachvollziehbar und damit in abgewandelter Form realisierbar wird. Damit die TeilnehmerInnen bestmöglich von diesem Wissen profitieren können, haben die Workshop-Leiterinnen Catherine Bottrill und Claire Buckley den Tag in zwei ineinandergreifende Phasen unterteilt: „Inspiration“ und „Weiterdenken“. Im ersten Teil geben die beiden einen umfassenden Einblick in vergangene und laufende Projekte und zeigen so, auf welch vielseitige Weise Klimaschutz und nachhaltiges Handeln ins Kulturgeschehen implementiert werden können. Dadurch entsteht überhaupt erst ein Bewusstsein für die Vielzahl an Möglichkeiten und für die positiven Effekte auch neben den klimabezogenen Zielen. Im zweiten Teil kommen dann die TeilnehmerInnen selbst aktiv zum Zug, sammeln bereits vorhandene Ansätze und Ideen, um sie schließlich zielgerichtet weiterzudenken. Die dabei entstandenen Gedanken können später zur Initialzündung für zukünftige Projekte werden.

Best Practice in mehrfacher Hinsicht – Einblick in die Projekte von Julie’s Bicycle

Die Auszüge aus dem Portfolio von Julie’s Bicycle sind recht beeindruckend: So hat die Wohltätigkeitsorganisation unter anderem den Arts Council England  bei der Erarbeitung eines Umweltprogramms unterstützt, gemeinsam mit dem London Mayor's Culture Office sogenannte Green Guides für die Kreativindustrie ausgearbeitet, eine neue Policy für das Amsterdam Dance Event  entwickelt und diversen Festivals wie den BRIT Awards  bei der maßgeblichen Verringerung ihrer CO2-Bilanz geholfen. Doch das eigentliche Leuchtturmprojekt, das auch den Impuls zum Workshop gab, befindet sich in Manchester. Hier haben Julie’s Bicycle ein Netzwerk aus 27 kulturellen Organisationen aufgebaut, das mit vereinten Kräften große Einsparungen bei Emissionen und Energieverbrauch erreichen konnte. Und das mit zahlreichen Initiativen zum Nachdenken über Nachhaltigkeit anregt, was maßgeblich ist für eine langfristig starke Breitenwirkung. Gerade in seiner Vielseitigkeit und Verzweigung also ein schönes Vorbildprojekt – auch für das Ruhrgebiet.

Anknüpfungspunkte sehen & nutzen – Projekte aus dem Ruhrgebiet

Doch sind Catherine und Claire nicht bloß gekommen, um eigene Projekte vorzustellen. Dass hier vor Ort vielversprechende Inspirationen und Anknüpfungspunkte zu finden sind, zeigen die an diesem Tag mit eingebundenen Initiativen in kurzen Präsentationen: Da ist zuallererst die KlimaExpo.NRW  mit rund 380 Projekten im gesamten Bundesland, deren Wirken Geschäftsführer Dr. Heinrich Dornbusch schon am Anfang kurz skizziert. Später werden Vorgehensweisen des Kreativ.Quartiers Lohberg  dargestellt – eines Stadtteils in Dinslaken mit dem ehrgeizigen Ziel, sich vollkommen klimaneutral aufzustellen. Die Urbanisten  aus Dortmund geben Einblicke in die sogenannte Aquaponik als aussichtsreiche Grundlage für Urban Gardening und Judith Schanz von der Folkwang Universität der Künste zeigt mit dem Projekt Digimat , wie auf lokaler Ebene das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und für Upcycling gestärkt werden kann. Der Regionalverband.Ruhr  macht auf die bis Ende des Jahres laufende Klima Challenge aufmerksam und Workshopleiterin Claire erläutert die nachhaltige Orientierung des Juicy Beats  Festivals in Dortmund und weiterer Veranstaltungen. Die Anwesenden haben also viele Orientierungspunkte, um nach dem gemeinsamen Mittagessen eigene Optionen zu erdenken.

Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Wie schaffen wir das?

Schließlich beginnt der aktive Part für die TeilnehmerInnen: An sieben Stationen zu den creative climate trends wird in kleinen Teams zunächst der Status Quo festgehalten, um im nächsten Schritt konkrete Ziele für das Jahr 2022 zu formulieren. Dabei eröffnen sich neben zahlreichen Wegmarken bereits einige Ideen für Veranstaltungen und städteübergreifenden Kooperationen – unter anderem über ein gemeinsames Festival im Jahr 2020.

Überhaupt steht „Netzwerk“ im Mittelpunkt der meisten Gedankenspiele. Denn spätestens, wenn es im letzten Schritt um die Frage der Realisierung geht, ist die Zusammenarbeit vieler AkteurInnen gefordert. Das gilt für die Planung und Durchführung, ebenso wie für die so elementare Überzeugungsarbeit bei Mitmenschen und wichtigen Entscheidungstragenden. Dafür lohnt sich der Einsatz: Die gemeinsam erdachten Möglichkeiten reichen von Aktionen wie einem Green Walk über die Schaffung kreativer Räume für Kollaboration bis hin zur Entwicklung und Stärkung nachhaltig orientierter Business-Modelle. Nach rund drei Stunden Kreativarbeit ist hier eine erstaunliche Bandbreite an Ideen zusammengekommen, von denen hoffentlich einige in den nächsten Jahren ihre Umsetzung finden.

Und jetzt? – Raum & Förderung für zukunftsweisende Projekte

Sicherlich ist der Workshop nur ein erster Schritt und dadurch auch und gerade in seiner symbolischen Bedeutung sehr wichtig. Denn es gibt Anknüpfungspunkte, es gibt viel zu tun und es gibt Möglichkeiten der Förderung. Nicht zuletzt im Rahmen des Programms Kreativ.Quartiere Ruhr , wo künstlerische Projektideen rund um den Klimawandel gern gesehen sind. Die TeilnehmerInnen können nun jedenfalls wertvolle Impulse mit nach Hause nehmen – und auch die eine oder andere Visitenkarte, um später noch einmal in gemeinsamer Mission zusammenzukommen.