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Work at Werk Union in Dortmund – Kunst trifft auf Stadt- & Immobilienplanung

Wenn investitionsorientierte Bauplanungen an der Bevölkerung vorbeigehen, was kann dann womöglich Kunst erreichen, wenn sie einschreitet und in den Dialog tritt? Der Dortmunder Verein „die Urbanisten“ und das Theaterfestival FAVORITEN haben den Versuch gewagt: Im Rahmen von „Work at Werk Union“ durften vier KünstlerInnen-Gruppen jeweils drei Wochen lang das ehemalige HSP-Gelände ergründen und stellen nun ihre Ergebnisse vor.

© Sebastian Becker/ecce

HSP Hoesch schließt – und das Werk hinter der „Grünen Wand“ wartet auf neue Ideen

Ein Stahlunternehmen macht dicht und plötzlich steht eine viele hundert Meter lange Halle nebst umliegendem Gelände mitten im Dortmunder Unionviertel leer. Es ist ein Ort, der über Jahrzehnte hinweg direkt hinter Wohnhäusern pulsierte und sich zugleich durch die berühmte „Grüne Wand“ dem Blick der Anwohner entzog. Die Thelen-Gruppe als neuer Eigentümer hat hier nun Großes vor mit zukunftsträchtigen Ideen. Doch wie sich zeigt, gehen die Planungen weitestgehend an der Lebenswelt der Anwohner vorbei – weswegen die Urbanisten schließlich den Auftrag erhalten, sich mit den Möglichkeiten des Geländes auseinanderzusetzen. Was ist toll an dem Gelände? Ist es ein Angst- oder ein Möglichkeitsraum? Und wo liegen Verbindungen zur Vergangenheit?

Ganz im Sinne frischer Impulse beschließen die Urbanisten, die Frage weiterzugeben: Statt der fachplanerischen Perspektive soll das künstlerische, emotionale Auge eingeladen werden, sich mit dem Raum auseinanderzusetzen und unbefangen zu experimentieren. Der Grundstein für Work at Werk Union ist gelegt.

 

Künstlerische Begegnungen mit Raum, Geschichte & Menschen rund ums Dortmunder HSP-Gelände

In Kooperation mit dem Theaterfestival Favoriten – vertreten durch die künstlerischen LeiterInnen Fanti Baum und Olivia Ebert – wird ein Stipendienprogramm entwickelt und mithilfe des Förderprogramms Kreativ.Quartiere Ruhr und weiterer Partnern realisiert: Vier KünstlerInnen-Gruppen forschen und leben jeweils für drei Wochen in der Werkhalle, um in den kreativen Dialog mit dem Gelände zu treten. Mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen, wie die Präsentationen zeigen:

Am 8. Juli 2018 haben die Working Class Daughters bereits die feministische Perspektive auf die ArbeiterInnenschaft beleuchtet und dabei direkt einen kleinen Aufstand inszeniert. Am 29. Juli 2018 präsentierten die beiden Gruppen Transzendenter Supranaturalismus und Terra Inkognita. Erstere hat sich mit dem großen Umbruch des Stahlwerks im Zuge der feindlichen Übernahme durch Thyssen Krupp im Jahr 1992 auseinandergesetzt und stellt der Vereinnahmung nun etwas Positives entgegen: Unter dem Einsatz von Virtual Reality bilden sich rosa Wolken in den Baumkronen vor dem ehemaligen Verwaltungsgebäude und beflügeln die Vorstellungskraft. Terra Inkognita dagegen inspizieren und sezieren das Gelände, nehmen auf, zerdenken und setzen neu zusammen. In der Werkhalle haben sie ein Büro initiiert, das die Materialien des Geländes in Beziehung mit den Menschen setzt. Es fungiert als Lost-&-Found-Station, als Kap der guten Hoffnung inmitten der üblichen Stadtplanungsprozesse.

Anlass zur Diskussion: Freiraum vs. Instrumentalisierung der Kunst

Im Anschluss an die Präsentationen kam es dann zur gemeinsam Diskussion rund um die Frage „What can art do in urban spaces? Hoffnungen, Projektionen Erwartungen“ unter der Moderation von Svenja Noltemeyer von den Urbanisten. Dr. Hanna Hinrichs von StadtBauKultur NRW, der freie Theaterschaffende Michael Kranixfeld und Stefan Gassner vom Projekt „Wem gehört die Kunst?“ sinnierten als geladene Gäste offen über das Spannungsverhältnis zwischen Freiraum und Instrumentalisierung der Kunst – mit durchaus verschiedenen Sichtweisen und einigem Konsens. Und die KünstlerInnen hatten natürlich Gelegenheit, um von ihren vorwiegend positiven Erfahrungen im Rahmen der dreiwöchigen Residenz zu berichten.

Zum Ende hin einigte man sich darauf, dass vor allem die zeitliche Begrenzung bzw. das Jährlichkeitsprinzip in der Stadtplanung die Möglichkeiten einschränken. Damit rückt ein Aspekt in den Fokus, der wohl auch in Zukunft Raum für einen lohnenswerten Diskurs schafft.

 

Weitere Termine zu Work at Werk Union

Am 19. August 2018 geht es dann weiter mit der letzten Präsentation: das Gelände als kamerunisches Dorf fernab jeglicher Ausbeutung gedacht. Ein spannendes Szenario, das den bisherigen Impulsen für neue Formen der Stadtentwicklung und -verbindung mit Sicherheit noch einige wertvolle Facetten hinzufügen wird.

Übrigens gibt es noch Gelegenheit, um Work at Werk Union im Ganzen zu sehen: Am 10. September 2018 präsentieren ab 19 Uhr alle vier Gruppen im Rahmen des Theaterfestivals FAVORITEN. Der Ort ist wie bei den bisherigen Terminen dieses Projektes die Werkhalle im Union Gewerbehof in der Rheinischen Straße 143 in Dortmund. Der Eintritt ist kostenlos.

 

Text: Marius Hanke