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Warum Häftlinge gute Designer sind - Interview mit NICE Alumni Makeright

Das Projekt Makeright aus London hat 2017 den zweiten Platz beim NICE Award gewonnen. Im Interview erzählen die Projektverantwortlichen Lorraine Gamman und Adam Thorpe wie sie Design Thinking ins Gefängnis gebracht haben.

© Makeright

Makeright benutzt einen Design Thinking-Ansatz und entwickelt gemeinsam mit GefängnisinsassInnen diebstahlsichere Taschen. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?

Unsere Arbeit mit dem Socially Responsive Design and Innovation Hub an der Central Saint Martins hat in den letzten zehn Jahren Techniken von StraftäterInnen und gesammelte Kenntnisse von TäterInnen hervorgebracht, die wir für Design Against Crime genutzt haben. Aber wir haben festgestellt, dass das nicht ausreicht. Kriminelle sind unglaublich kreativ. Ein Ablenkungsmanöver am Geldautomaten ist ein gutes Beispiel für Interaktionsdesign und eine Tasche aus Folie, die für Ladendiebstähle verwendet wird, ein Produktdesign ihresgleichen. Die Gelegenheiten für Kriminalität zu reduzieren ist ein guter Schritt aber schreckt nicht alle ab, die versucht sind, von Kriminalität zu leben. WiederholungstäterInnen sind oft außerdem Teil der Community. Daher hat sich DACRC dazu entschieden, sich mit kriminellen Aktivitäten zu beschäftigen, indem wir InsassInnen darin eingebunden haben, Kriminalitätsprävention zu vermitteln... Dazu haben wir uns auf die "dunkle Seite ihrer Kreativität" gestützt, wie wir es genannt haben (Gamman & Thorpe 2012). Am Ende sollen positive Resultate wie neue Designs für Produkte stehen, die BenutzerInnen gegen Straftaten schützen. Zugleich ist es eine Möglichkeit, vergangene Fehler wieder gut zu machen und Wege zu finden ihre Kreativität auf konstruktivere Weise zu nutzen.

Welche Reaktionen seitens der Häftlinge bekommen Sie?

Am besten lässt man die inhaftierten Lernenden selbst sprechen:

‘Die Leute bringen sich gegenseitig mehr Respekt entgegen. Die Atmosphäre [in der Makeright Design Academy] ist komplett anders als in anderen Teilen des Gefängnisses [...] Man kann sein wer man ist und sich nicht bedroht fühlen’ Sam

'Es hilft dabei seinen Horizont zu erweitern und sich darüber klar zu werden was man machen möchte, wenn man wieder frei kommt […]. Vorwärts denken anstatt zurückzugehen.’ John

‘Ja, man stellt eine diebstahlsichere Tasche her aber man lernt vor allem einige Skills… und man lernt viel Geduld. Das gibt mir einen Sinn, einen Sinn mit dem Leben weiterzumachen und mich darauf zu fokussieren, Dinge zu erreichen.’ Takka

Die oben stehenden Kommentare haben wir in 30 Interviews mit InsassInnen, die an Makeright teilgenommen haben, erhalten (siehe auch: https://makerightorg.wordpress.com/interviews/).

Neben dem Erwerb von Fähigkeiten haben sie uns auch erzählt, dass:

1. sie neue Arten des Lernens im Makeright-Kurs erworben haben

2. Makeright ihnen dabei geholfen hat Kooperation und Kommunikationsfähigkeiten in der Gruppenarbeit zu lernen

3. der Makeright Design Thinking-Ansatz Einigen (nicht Allen) mit gesteigerter Selbstkontrolle and besseren Problemlösungsfähigkeiten geholfen hat

4. Makeright dabei geholfen hat, positiv auf Kritik zu reagieren indem erlernt wurde wie man Ideen visuell darstellt anstatt in einen Konflikt zu geraten und in der Lage zu sein eine andere Meinung zu haben anstatt erzählt zu bekommen, dass erste Versuche falsch sind.

5. indem man für andere designed, man auch ein bisschen über den Wert von empathischem Verständnis lernt, nicht nur bessere Produkte zu designen aber auch zur besseren Zusammenarbeit mit anderen InsassInnen und vielleicht sogar der breiteren Gesellschaft.

Verkaufen Sie die Taschen? Wo kann man sie kaufen und wollen Sie expandieren? 

Wir haben die erste Fuhre an Taschen über Sue Ryder Charity Shops im Vereinigten Königreich verkauft (die die Profite erhalten). Able & Cole, ein ökologischer Essenslieferant, der uns die Lastwagenplane zur Verfügung gestellt hat, die wir für die Taschen verwenden, waren beeindruckt von der ersten Ladung. Sie haben nach und nach zugestimmt (i) uns zu unterstützen und 70 Able & Cole Kunden im Vorfeld von Weihnachten 2017 kostenlos mit Taschen auszustatten (siehe auch: https://www.abelandcole.co.uk/blog/post/try-a-makeright-bag-for-us). Außerdem konnten die Kunden (ii) ihr Feedback mitteilen, auf das wir reagieren, um unsere Designs zu verbessern. Abel & Cole hat außerdem zugestimmt (iii) die Taschen online über ihre Website zu verkaufen. Wir schließen derzeit die letzten Verbesserungen ab und hoffen sie im Sommer 2018 für den Verkauf über die Website von Able & Cole fertig zu haben.

Welche Auswirkung hatte der NICE Award für das Projekt?

Der NICE Award hat uns dabei geholfen, Aufmerksamkeit für das Projekt zu gewinnen. Die Anerkennung für das Projekt hat das Projektteam und PartnerInnen ermutigt und inspiriert und unterstützt seine Glaubwürdigkeit gegenüber denen, die noch nicht mit dem Projekt vertraut sind. Insbesondere hat der Award uns dabei geholfen, eine Diskussion mit unseren PartnerInnen zu starten, darüber, wie man Makeright als Wohltätigkeitsorganisation aufsetzen kann. Anstatt die Profite der Taschen an Sue Ryder zu geben, hoffen wir in der Zukunft dazu in der Lage zu sein, Gewinne aus den Verkäufen als Kredite an resozialisierte Menschen zu geben, die im Gefängnis an Makeright teilgenommen haben und die sich gegebenenfalls selbstständig machen wollen. Das hat uns dazu befähigt alternative Wege auf dem Markt zu erkunden, die die "offene" Handarbeit von Makeright unterstützen könnten.

Ist die Idee auf andere Produkte und Zielgruppen übertragbar? Warum?

Das hoffen wir. Es gibt viele Produkte innerhalb und außerhalb des Gefängnisumfeldes, die Gefangene als "HauptnutzerInnen" co-designen könnten, aber wir möchten die Taschen zwölf Monate lang verkaufen und sehen was passiert, sozusagen als “proof of concept”.

Makeright hat 2017 den NICE Award gewonnen. Alle GewinnerInnen sehen Sie hier.