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Vorstellung unserer Forschungspartner und -partnerinnen: Dr. Yesim Tonga (LYNX Research Unit des IMT Lucca)

Yesim kam im Dezember 2014 als Postdoktorandin zur LYNX Research Unit des IMT Lucca. Seit 2016 zählt sie zu den Forschungspartnern, welche die Europäische Partnerschaft zu kulturellen und kreativen Spillover-Effekten mitbegründet haben, und beteiligte sich 2018 mit dem Workshop „Kulturelle Veranstaltungen: Ein interdisziplinärer Ansatz zur Impact-Evaluierung und öffentlichen Wahrnehmung“ an der regionalen Debatte.

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Können Sie eine kurze Beschreibung der Ziele Ihrer Einrichtung und Ihrer eigenen Rolle dabei liefern?Die IMT School for Advanced Studies Lucca ist eine Graduiertenschule mit Forschungszentrum, die sich auf die Analyse wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, technischer und kultureller Systeme konzentriert. Unser Institut zeichnet sich durch die Qualität und Innovationskraft seiner Forschung und Promotionsstudiengänge sowie seine interdisziplinäre Arbeit aus, die durch Komplementarität und Diskurs zwischen Methodiken aus Wirtschaft, Technik, Informatik, angewandter Mathematik, Physik, Archäologie, Kunstgeschichte sowie Analyse von und Umgang mit kulturellem Erbe gekennzeichnet ist. Meine Forschungsprojekte bearbeite ich im LYNX Center for the Interdisciplinary Analysis of Images, das laterales Denken zu dem allumspannenden Thema „Objekte, Räume, Bilder: individuelle Erfahrung und soziales Verhalten“ fördern und vornehmen will, und nutze dabei das interdisziplinäre Umfeld des IMT Lucca, in dem eine enge Zusammenarbeit mit anderen Forschungsbereichen wie Informatik und Wirtschaft möglich ist. Zudem lehre ich im Promotionsstudiengang zur Analyse von und Umgang mit kulturellem Erbe und betreue die Studierenden bei der Promotion.

Welche Bedeutung haben Partnerschaften für Sie/Ihre Organisation?

Wir haben es bei unserer Forschung sowohl mit zeitgenössischen Phänomenen als auch mit solchen zu tun, die den Kontext der Vergangenheit betreffen. Angesichts des komplexen Umfelds der Kultur müssen wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kultureller Einrichtungen mit einem interdisziplinären Ansatz analysieren und reflektieren. In dieser Hinsicht bilden Partnerschaften das Herzstück unserer Organisation: Wir entwickeln nationale und internationale Partnerschaften nicht nur mit anderen Universitäten und Forschungszentren, sondern auch mit kulturellen Einrichtungen wie Museen, Vereinen und Dachverbänden sowie mit Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Welches aktuelle Beispiel (aus Ihrem Bereich/Ihrer Stadt/Ihrem Land) macht kulturelle und kreative Spillover-Effekte besonders deutlich?

Da kann ich eine der größten Fallstudien anführen, an der wir arbeiten: Lucca Comics & Games. Diese zeigt ganz deutlich, wie außergewöhnlich gut es Festivals gelingt, soziale Interaktion zu steuern, bestehende Gemeinschaften zu stärken und neue Gemeinschaften aufzubauen, indem ihr Umfeld durch eine spezielle Realität umgestaltet wird. LC&G ist heutzutage die größte kulturelle und kommerzielle Veranstaltung in Italien und zählt zu den größten in der Welt der Fantasy-Kultur. Im Laufe seiner fünfzigjährigen Geschichte entwickelte sich das Festival zu einem Erlebnis für die Massen, das etwa 450.000 Einzelbesucher anzieht und in seinem Bereich Trends bestimmt. Folglich erfordert diese fünftägige Veranstaltung durch ihre weitreichenden kulturellen und kreativen Spillover-Effekte eine Neubetrachtung der Beziehungen zwischen vorübergehenden und stabilen Strukturen. Sicherlich ist die wirtschaftliche Wirkung sehr stark (nach unseren Schätzungen gaben allein die zahlenden Festivalbesucher im Jahr 2015 etwa 35,8 Millionen Euro aus). Doch diese Zahl ist das Ergebnis der Erfolge von kulturellen Unternehmern, und die tatsächliche Leistung und Bedeutung der Veranstaltung gehen noch viel weiter ... So werden mit dem Kulturprogramm, den Ausstellungen, den Veröffentlichungen und den verschiedenen Preisverleihungen des Festivals nicht nur etablierte Künstlerinnen und Künstler geehrt, sondern sie fördern auch die berufliche Entwicklung junger Künstler/innen und künstlerischer Initiativen sowie die Würdigung neuer Kunstformen innerhalb der Fantasy-Kultur. Zudem dient das Festival als Plattform für ähnliche Communities und trägt so zu sozialem Zusammenhalt, dem Ausbau von Gemeinschaften und der Integration bei, stimuliert die Kreativität, verändert die Einstellung zur Mitwirkung an und Offenheit für die Kunst. Auf der anderen Seite unterstützt LC&G aus Sicht der Einrichtungen die Weiterentwicklung der Kompetenzen in der Gesellschaft, erleichtert den Wissensaustausch und kulturgeführte Innovationen, stärkt neue Kooperationen und baut diese aus. Zu guter Letzt dient das Festival auch als Markenzeichen für die Stadt und hat Folgen für das Placemaking, da es die Stadtentwicklung ankurbelt.

Wieso brauchen wir in der Kultur/Kulturpolitik wissenschaftliche Beweise?

Diskussionen über Kultur/Kulturpolitik finden aufgrund von Definitionsschwierigkeiten leider oft auf dünnem Eis statt. Uns fehlt eine einheitliche Auffassung und ein einheitliches Vokabular zu weitreichenden sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen. Debatten stützen sich auf viele abgenutzte Begriffe, die für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben. Unter diesen Umständen sowie angesichts der Herausforderung, die begrenzte Mittel mit sich bringen, und der Tendenz zur Verwirtschaftlichung ohne aktiven Integrationsprozess auf Grundlage der spezifischen Charakteristika von Kunst und Kultur haben kulturelle Einrichtungen die verschiedensten und häufig falschen Erwartungen. Wir müssen Verknüpfungen zwischen den Rollen und Bedeutungen von Kulturpolitik/-projekten und deren Wirkung herstellen. Dabei sind wissenschaftliche Beweise von entscheidender Bedeutung.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Wir setzen unsere Forschung zur Auswirkung von Kulturpolitik und -projekten mit neuen Fallstudien fort; dazu zählen weitere Festivals, Museen und archäologische Stätten. Zudem entwickeln wir eine neue Partnerschaft mit anderen Universitäten in Italien, um die Kompetenzen für den Umgang mit dem kulturellen Erbe zu analysieren und so ein Rahmengerüst für professionelle Schulungsprogramme innerhalb und außerhalb der Universitäten zu entwickeln. Darüber hinaus organisieren wir eine Reihe von Veranstaltungen zur Förderung interdisziplinärer Diskussionen unter Akademikern und Praktikern zu zeitlich begrenzten Veranstaltungen und Zeitlichkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft.

 

Workshop "Cultural Events: An Interdisciplinary Approach to Evaluate The Impacts and the Public Perception"