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Vorhang auf im Friseursalon

Labsa bringt Community Joy! ins Dortmunder Unionviertel.

Foto: © Jennifer Bunzeck

Hausbesuche, Dreambody Workshops und Family Food: Menschen kommen zusammen und teilen ihr Wissen – im Mittelpunkt steht die Begegnung. Community Joy!, ein Projekt des Transnationalen Ensembles Labsa im Rahmen des Förderprogramms Kreativ.Quartiere Ruhr, gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und umgesetzt von ecce – european centre for creative economy GmbH, ist eine Einladung an das Unionviertel Bereitschaft, Respekt, Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft miteinander zu pflegen. Dies gelingt nicht nur im Tomorrow Club Kiosk, sondern auch an ungewöhnlichen Orten.

Das Theaterkollektiv Transnationales Ensemble Labsa probt jeden Mittwoch in seinem Atelier mitten im Dortmunder Unionsviertel. Es ist darauf Verlass, dass der Raum an diesem Abend in der Woche geöffnet ist - nicht nur für die Ensemble-Mitglieder, sondern für alle interessierten Menschen. Ein leuchtendes Neon-Schild mit den Worten Tomorrow Kiosk macht Lust, über die Schwelle zu treten. Seit 2017 ist das Ensemble im Ladenlokal in der Langestraße 98 im Dortmunder Unionviertel sesshaft. Hier kommen Menschen zusammen, um in künstlerischer Arbeit gegenseitige Fürsorge zu praktizieren. Sie erforschen freudvoll vielschichtiges Wissen, das bisher in der Öffentlichkeit nicht beachtet wurde. Im Kollektiv gestalten sie neue Formen von Wissenstransfer.

Seine Themen findet das Transnationale Ensemble Labsa in der unmittelbaren Umgebung und begibt sich dabei auch an Orte, die man nicht sofort mit Theater verbindet: Den Friseursalon Barber Bella, das Atelier Trash/Treasure der Künstlerin Ina Tziperman und Privatwohnungen in der Adler- und Paulinenstraße. Bestehende Kompliz*innenschaften werden im Tomorrow Kiosk intensiviert: Zu Gast waren etwa das Netzwerk Ladies First, das Näher*innen-Kollektiv Amen Juvlja Mundial, die Designerin Alima Ibrahim und Bewohner*innen der Hirtenstraße.

Gute Atmosphäre beim Hausbesuch

„Community Joy! meint eine Freude, die tiefgreifende Beziehungsarbeit, Verantwortung, Reflexion sowie Anstrengung impliziert“, so die Schauspielerin und Regisseurin Zofia Bartowszewicz. „Im Vordergrund unserer Herangehensweise stehen Begegnungen, bei denen Menschen aus denkbar unterschiedlichen gesellschaftlichen und sozialen Kontexten miteinander künstlerisch arbeiten.“, fügt Ensemble-Mitglied Betty Schiel hinzu. Konkret sprach das Ensemble im Rahmen der Reihe „Hausbesuche“ mit der Künstlerin Ina Tziperman in ihrem Atelier über voyeuristische Blicke in der Kunst, über jüdisches Leben zwischen Israel und Deutschland, über Unsichtbares und über Energiearbeit. Das Motto „Community Joy" bestätigte sich von der ersten Sekunde an, denn beim Hausbesuch wurde bei gutem Essen viel gelacht, intuitiv gezeichnet und szenisch und musikalisch improvisiert.

 

Performance im Friseursalon

Nur ein paar Häuser weiter im Friseursalon Barber Bella. Die Perspektive als Kund*innen kennen die meisten, aber im Austausch erfuhr das Ensemble auch etwas vom Arbeitsalltag der Friseur*innen: Gespräche über ungewöhnliche Matches im Team, romantische Annäherungen der Kund*innen und der therapeutische Aspekt der Arbeit interessierten das Ensemble als Recherche für die Entwicklung der aktuellen Performance „Look at me“. Mit Live-Musik und Maskenspiel übernahm das Theater-Ensemble spielerisch den Salon, indem zufällige Kund*innen und Mitarbeiter*innen zu aktiven Performer*innen wurden. Fulminanter Abschluss dieses Besuchs war ein gemeinsames kurdisches Essen – Soulfood, zubereitet von der Familie Kalos als Highlight von „Family Food for all“.

 

Vom Zauber der „Kitchen Show“

Frauen, die gemeinsam lernen, lachen und wachsen – das ist das Netzwerk Ladies First, mit dem das Ensemble beim Family Food auch in die westafrikanische Kochkunst eintauchte. „Kochen ist eine ganzheitliche Übung, die das Spirituelle niemals ausschließen darf. Was du isst, dringt in dein ganzes Wesen ein, findet seinen Weg in deine Seele und berührt deine Träume. Was du kochst, ist beeinflusst von deiner Stimmung, deinem Geist, deiner Umgebung, deinem Temperament“, so Djessira Conde von Ladies First. Das Netzwerk der westafrikanischen Frauen-Community initiierte Fortune Aissatou Walitza-Ndam, Erziehungswissenschaftlerin und Referentin für Rassismus-kritische Bildungsarbeit und Empowerment. Zum Nachtisch spielten die Gastgeber*innen des Transnationalen Ensemble Labsa im Tomorrow Kiosk ihre berühmte „Kitchen Show“, eine clowneske Backshow mit echtem Zauber, Kuchen, musikalisch begleitet von Sänger Eyaad Mostafa.

 

Ein Vorbild für zeitgenössische Theaterarbeit

In „Dreambody“ kommen Storytelling und kollektive Körperarbeit zusammen. Menschen kommen gemeinsam zur Ruhe durch Berührung und improvisierte Livemusik. Das Erzählen von Träumen macht „Dreambody“ zu einer kollektiven Theater-Erfahrung. In die szenische Arbeit sind die Bewohner*innen der Hirtenstraße unvoreingenommen eingestiegen. Mit ihrer allumfassenden Präsenz in der Gegenwart bereicherten sie auf unvorhergesehenen Pfaden die Arbeit des Ensembles und sind Vorbild für zeitgenössische Theaterarbeit. Emilia Hagelganz erklärt die sympathische, auf Gastfreundschaft angelegte, Herangehensweise des Transnationalen Ensemble Labsa so: „Eine gute und entspannte Atmosphäre für alle zu schaffen, ist das Fundament unseres künstlerischen Wirkens.“

 

Text: Labsa/ecce