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THE NEW MINE-ING SOCIETY

Könnten Sie sich vorstellen, in einer Gesellschaft zu leben, in der es möglich ist, menschliche Knochen in Gold und andere Metalle zu verwandeln?

© Duncan Tafel & Suliman Almogharbel

Diese provokante Prämisse durchzieht die künstlerische Recherche THE NEW MINE-ING SOCIETY, die im Sommer 2024 von Gabriel Carneiro, Bianca Mendonça und Pauli Nafer im Viktoria.Quartier in Bochum durchgeführt wurde. Das Projekt brachte Kunstler*innen mit und ohne Migrationsbiographien und weitere Teilnehmende zusammen, um interdisziplinär die Beziehungen zwischen Technologie, Science-Fiction und der Ausbeutung menschlicher Körper und Identität zu recherchieren. Inspiriert von antikolonialen Science-Fiction- und Migrationsansätzen stellte das Projekt kritisch den Einfluss von extraktivistischem Denken und Handeln in Frage. Gemeinsam mit Räumen wie dem Blue Square, dem Schaubüdchen, der City-Passage und dem Atelier Automatique wurden Gesprächsrunden mit der Präsentation audiovisueller Materialien sowie choreografische und szenische Skizzen organisiert.


Der Kern der Dramaturgie des Projekts liegt in der fiktiven Vorstellung einer Substanz, die menschliche Knochen in wertvolle Metalle verwandelt. Diese Idee dient als eindringliche Analogie zur Rohstoffausbeutung, insbesondere im Ruhrgebiet, einer historisch vom Bergbau geprägten Region. Die Umwandlung von Knochen in Metalle löste im Publikum eine Mischung aus Staunen, Verwirrung und Unbehagen aus, wodurch die Ausbeutung des menschlichen Körpers in einen symbolisch neuen Kontext gestellt wurde. Die Kurzgeschichte "A Nova Califórnia" des brasilianischen Autors Lima Barreto aus dem Jahr 1910 inspirierte das Projekt und führte zu wichtigen Diskussionen. Die Lebens- und Kunsterfahrungen der Migrant*innen ermöglichten die Übertragung von Barretos Vision ins Ruhrgebiet. Besonders die Verbindung zwischen der Geschichte des Ruhrgebiets und der spekulativen Fiktion regte Gesprächsrunden darüber an, wie nah diese fiktive Zukunft an realen gesellschaftlichen Entwicklungen liegen könnte.


Austauschrunden bildeten den wichtigen Teil des Projekts, bei dem lokale Akteur*innen des Quartiers ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Bergbauerbe, Familiengeschichte, eigenen Initiativen und Vorstellungen von Science-Fiction einbrachten. Diese Beiträge vertieften die Diskussionen und eröffneten vielfältige Perspektiven. Ziel war es, durch theatralische Mittel einen offenen Dialog über ethische, soziale und technologische Fragen anzuregen, die sich aus der künstlerischen Auseinandersetzung mit der fiktiven Transformation menschlicher Knochen in Metalle ergaben.

 

"Science-Fiction wird in der Theatersprache selten behandelt und meist mit Literatur und Kino assoziiert. Unser Interesse liegt darin, zu erforschen, was Sci-Fi im Kontext der darstellenden Künste bedeutet und wie Sci-Fi-Perspektiven aus dem globalen Süden, wie der Afrofuturismus und Amazofuturismus, im Theater Raum finden können."

– Gabriel Carneiro, Projektleitung THE NEW MINE-ING SOCIETY

Öffentliche Angebote

01.07.2024 – 26.07.2024
Künstlerische Recherche, Gespräche und Austausch im Viktoria.Quartier Bochum.

29.07.2024
Öffentliche Gesprächsrunde „Futurisms in (Bio)Mining Contexts“ im Atelier Automatique zur Verbindung von Science-Fiction und Biotechnologie.

02.08.2024
Abschlusspräsentation im Atelier Automatique Bochum. Das Publikum erhielt einen Einblick in unsere Sci-Fi-Welt, begleitet von Performances und Gesprächen.

06.09.2024
Teilnahme an der Austauschrunde von TITIME zur Diskussion der wissenschaftlichen und künstlerischen Aspekte des Projekts.

14.09.2024
Showcase im Rahmen des Festivals ByeBye Bubble in der City-Passage Bochum, das Installationen und Performances vereinte.

Resümee und Ausblick

Die Recherche im Rahmen von THE NEW MINE-ING SOCIETY bot Raum zum Lernen, für interkulturelle Begegnungen und kreativen Austausch. Im Sommer 2024 legte diese Phase den Grundstein für eine mögliche Weiterentwicklung zu einer Theateraufführung mit installativen Elementen, bei der Kulissen als lebendige Installationen und Orte künstlerischer Vermittlung fungieren könnten.


In den kommenden Monaten reflektiert das Projektteam über die gesammelten Eindrücke dokumentiert diese, um den Dialog und Wissensaustausch im weiteren künstlerischen Prozess zu bewahren. Die Forschung verdeutlichte, dass neue Technologien und gesellschaftliche Strukturen fortlaufend entstehen – eine Metapher für die ständige Neuerfindung des Bergbaus. Auch unser Projekt wird kontinuierlich neue Wege und Ausdrucksformen finden, um die sich wandelnden Themen von Ausbeutung und Transformation künstlerisch zu verarbeiten.


Text: Gabriel Carneiro, THE NEW MINE-ING SOCIETY