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IMPACT! – Bericht vom #ECIS19

Am 10. und 11. September trafen 350 EntscheidungsträgerInnen, Kulturschaffende und InteressenvertreterInnen in Helsinki zum 9. European Creative Industries Summit zusammen.

#ECIS19 In Helsinki
© ECBN

Der Veranstaltungsort "Kaapelitehdas" hatte dabei durchaus symbolischen Wert: als Kabelfabrik für Überseekabel errichtet, wurde er zwischenzeitlich von Nokia genutzt, um schließlich als unabhängiges kulturelles Zentrum mit mehreren Museen, Galerien und Arbeitsplätzen für Helsinkis Kreativszene seine Transformation abzuschließen. Kai Huotari, Direktor der Kaapeli, fasste in seiner Begrüßung zusammen: “With this history Kaapeli is not only a place, but a symbol of the change our societies in Europe are undergoing.“ Dieser Wandel war auch Thema der Konferenz: Diskutiert wurde der „Impact“, den die Innovationen der Kreativwirtschaft auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und die soziale Entwicklung europäischer Gesellschaften haben können.

„Creative Industry is here for Happiness and Well-Being“

Hanna Kosonen auf der #ECIS19Hanna Kosonen, die finnische Ministerin für Kultur und Wissenschaft, setzte den Rahmen der folgenden Debatten, indem sie die finnische EU-Ratspräsidentschaft (Fokus: „Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft“) mit dem Ziel verband, die Lebensqualität jedes EU-Bürgers zu verbessern: „Creative Industry is here for Happiness and Well-Being“. Ergänzt wurde diese Sichtweise von Bernd Fesel, dem geschäftsführenden Direktor des European Creative Business Network (ECBN). Auf der Mitgliederversammlung des ECBN machte er deutlich, dass die Wirkung alltäglichen Kulturprodukten (Mode, Zeitung, Musik, Computer, Architektur) trotz – oder gerade wegen ihrer Allgegenwärtigkeit – schwer messbar sei. Während aktuelle Messmethoden die quantitative Nutzung von Kultur beziffern könnten, fehle eine einheitliche Strategie, die Wirkmacht von Kultur qualitativ zu erfassen – und somit auch den „Impact“ auf Wirtschaft und Gesellschaft darzustellen.

Best-Practice-Beispiele für Impact der Kultur- und Kreativwirtschaft

Im weiteren Verlauf der Konferenz stellten RednerInnen aus der ganzen Welt unterschiedliche Beispiele für „Impact“ vor. Marko Ahtisaari, der künstlerische Leiter des Helsinki Festivals, vertrat die Ansicht, dass qualitativer Impact subjektives Empfinden sei, von innen heraus geschehen müsse und bei der Produktion von Kultur bereits strukturell ins Werk einfließen müsse. Synchronizität und Ruhe seien Voraussetzung und Gradmesser für Impact auf die RezipientInnen. Als Beispiel führte er Sleep Performances als gemeinsames Festivalerlebnis an und machte auf Musik aufmerksam, die sich an den Erkenntnissen der Neuro- und Schlafwissenschaften orientiert (Bsp.: Max Richter – Sleep). Es sei auch Aufgabe des Designers/der Designerin, bereits während des Schaffensprozesses nicht intendierte soziale Folgen des eigenen Schaffens zu reflektieren (Bsp.: Selbstverpflichtung, Suchtpotenzial nicht auszunutzen: www.techpledge.org).

Anna Valtonen, Vice President of Art and Creative Practices der Aalto University, stellte Forschungsfelder ihrer Universität vor, die „Impact“ schon allein durch ihre soziale und wirtschaftliche Relevanz in sich tragen: Schwerpunkte waren hier Robot Service im Gesundheitssektor und Designlösungen für verbessertes Wasser-Management.

 

Marco van Hout (Digital Society School, Amsterdam) und Mary Wharmby aus Los Angeles beschrieben „Impact” als Transformation von Institutionen. Sie verstünden Design als Hilfe zur Selbsthilfe auf dem Weg zu einer kreativeren Unternehmensphilosophie. Durch Ausbildung von Coaches und Aktivierung der MitarbeiterInnen, die ihrerseits wieder als MultiplikatorInnen wirken könnten, würden Methoden des kreativen Arbeitens auch die Strukturen größerer Unternehmen durchdringen.

 

Caroline Norbury, CEO Creative England, verortete die derzeitigen Veränderungen im geschichtlichen Kontext:  Vergangene disruptive Innovationen, die dem Kapitalismus inhärent seien, hätten als Nebenprodukt stets soziale Ungerechtigkeit produziert und seien nach rein ökonomischen, nicht ökologischen oder sozialen Gesichtspunkten durchgeführt und bewertet worden. Sie betonte die Chance, es im Zuge von Digitalisierung mithilfe eines selbstbewussten kreativen Sektors und eines stärkeren Verständnisses für z.B. die Notwendigkeit von nachhaltigem Wirtschaften, anders zu machen.

 

Dass die Kreativwirtschaft dieses Selbstbewusstsein besitzt, ist nicht zuletzt der Rolle geschuldet, die das Europäische Parlament ihr mittlerweile zugesteht, wie man an einem Statement von Dr. Christian Ehler (MEP) vom Mai 2019 ablesen kann: “The Cultural Creative Industries are now recognized as an industry by the European Institutions along with health; security; digital industry and space; energy, climate and mobility.” In seinem Vortrag auf dem ECIS 2019 präzisierte er ihre Bedeutung, indem er betonte, Kultur- und Kreativwirtschaft seien „wissensintensiv, basieren auf individueller Kreativität und Talent, sie generieren riesigen ökonomischen Reichtum und bewahren die europäische Identität, europäische Kultur und europäische Werte.“

 

Das gesamte Programm der Konferenz findet sich hier.