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Fließende Räume und dahinter ein neues Leben - miesian motion von Gabi Rottes

© Sebastian Becker/ecce

Die Gelsenkirchener Künstlerin Gabi Rottes hat einen krassen Umbruch hinter sich – denn vor knapp vier Jahren beschloss sie, noch einmal ganz neu anzufangen. Ihre vielversprechende Karriere als Architektin und Führungskraft in einem großen Konzern hat sie kurzerhand gegen ein Kunststudium in Essen eingetauscht. Nun gibt ihr die Individuelle Künstlerinnen- und Künstlerförderung (IKF) die Freiheit, eine Brücke zwischen ihrem alten Leben und der Kunst zu bauen. Dafür widmet sie sich auf spannende Weise ihrem Lieblingsarchitekten Ludwig Mies van der Rohe und überführt seine Werke in neue Dimensionen.

 

Bestehendes lösen und neu zusammenzusetzen – in zweifacher Hinsicht

Für Gabi Rottes ist das Projekt ein Befreiungsschlag aus ihren ursprünglichen Zwängen. Nicht mehr nur nach Regeln handeln, sondern wieder ganz vertrauen auf das eigene Gefühl. Loslassen von der Effizienz, die in der Unternehmenswelt ständig im Vordergrund steht. Das Pareto-Prinzip eintauschen gegen den Luxus, sich endlich Zeit nehmen zu dürfen für Perfektion. Den Dingen Zeit geben, Ideen reifen lassen. Zugleich hat sie wieder zur Architektur zurückgefunden – verbindet nun ihre 30 Jahre Berufserfahrung mit frischen Betrachtungsweisen und Möglichkeiten. Nimmt Bestehendes auseinander und setzt es auf wundersame Weise neu zusammen. Das gilt für ihr Leben ebenso wie für ihre Vorgehensweise als Künstlerin.

Sechs Monate hat sie insgesamt Zeit, um im Rahmen der IKF in die Arbeit des Architekten Mies van der Rohe einzutauchen und ausgewählte Gebäude in Form von animierten Videocollagen neu zu inszenieren. Dafür reist sie zu seinen Wirkstätten rund um Chicago und zum Haus Tugendhat in Brünn/Tschechien. Dort sammelt sie wertvolle Eindrücke und erstellt Fotos und Videoaufnahmen. Einige der Bilder landen anschließend an der Büro-Wand der Künstlerin. So kann sie sich einen ersten Überblick verschaffen und Gedanken sortieren, bevor es an die Weiterverarbeitung geht. Ein langwieriger Prozess, wie sich noch herausstellen wird.

 

Vollkommene Freiheit – aber auch neue Herausforderungen

Während ihre bisherigen Collagen zweidimensional gestaltet waren, arbeitet sich Gabi Rottes mit miesean motion in eine neue Dimension vor. Ein wesentlicher Bestandteil ihrer künstlerischen Transformation ist die Einarbeitung in die Programme Cinema 4D und After Effects, die ihr neue Handlungsräume ermöglichen. Ersteres kennt sie bereits aus dem Beruf, doch eben in jenen engen Grenzen, die es zu überwinden gilt. Ihre ersten Schritte sind noch geprägt vom Alten, indem sie den Barcelona Pavillon nachkonstruiert – bis sie dann merkt: So funktioniert das nicht. Sie will nicht bloß Architektur nachbauen, sondern wünscht sich wirklich fließende Räume, die sich durch Bewegung erschließen. Um das zu erreichen, verzichtet sie auf Details und reduziert die Bauwerke fortan auf zwei Materialien: fest und transparent.

Gabi Rottes genießt die neue Bewegungsfreiheit in dieser so wichtigen Umbruchphase – doch die Arbeit stellt sie auch vor neue Herausforderungen. Beispielsweise wenn es plötzlich dreieinhalb Tage dauert, um einen Raum zu rendern. Besonders der Glasraum im Farnsworth House ist ein absoluter Albtraum für das Programm. Schließlich muss sie mit zwei Rechnern arbeiten, damit ihre neue Schaffensphase nicht vornehmlich aus Warten besteht. Es funktioniert: Bis auf kleinere Fehler ist der Hauptfilm nun fertig und der erste Testlauf mit drei Beamern, einer Leinwand mit doppelseitiger Projektion sowie einem Vorhang gelingt. Lediglich ein 160 cm großes Objekt aus Plexiglas muss erst noch aus der Produktion kommen. Dann ist alles bereit für die Ausstellungseröffnung am 16. November in der Galerie Januar e. V.  in Bochum.

 

Bauchentscheidung Kunst

Tatsächlich war Gabi Rottes Entschluss, noch einmal ganz von vorne anzufangen, eine reine Bauchentscheidung. Sie hat einen Ausgleich gesucht zu einer Arbeit, die sich immer mehr von ihren eigentlichen Leidenschaften entfernte. Und plötzlich gab es kein Zurück mehr, sondern nur noch ein Vorwärts.

Bereut hat sie das nie. Zwar arbeitet sie heute mehr als früher – dafür genau das, was sie will. Sie selbst bestimmt die Richtung und wie es weitergeht: Nach der Ausstellung wird es Zeit, Mies erst einmal hinter sich zu lassen und sich neuen Themenfeldern zu widmen. Ideen hat sie genug. Auf dem Laufenden bleibt man über: www.gabirottes.com

 

Text: Marius Hanke

 

Weitere Informationen zum Projekt

mies.miesian motion