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Fallhöhe

Die MacherInnen des Treibkraft.Theater haben Ende September 2018 mit ihrem Projekt „Fallhöhe“ eine szenisch-bildnerische Installation für das Kreativ.Quartier Hamm.Mitte inszeniert.

© Sebastian Becker/ecce

Auf dem Plakat sieht das ziemlich gefährlich aus – eine Person springt von der Dachkante eines Hauses. Und das auch noch mit Anlauf. Fast scheint es so, als könne sie in der Luft laufen. Mit diesem Motiv hat das Treibkraft.Theater Hamm sein Projekt „Fallhöhe“ angekündigt. Für die Besucher dieser szenisch-bildnerischen Aktion war dies aber kein Grund, sich Sorgen zu machen. Es ging zwar gemeinsam nach oben, kollektive Dachkantensprünge waren aber nicht geplant.

Spielort des Projektes „Fallhöhe“ war u.a. das ehemalige Verwaltungsgebäude der „Galeria Kaufhof“ in der Hammer Innenstadt; mitten im Kreativ.Quartier. Ein durchaus ungewöhnlicher Ort, der aber gut zur Arbeitsweise des Treibkraft.Theater passt. Die meisten ihrer Projekte finden nicht im klassischen Theater mit Vorhang und Bühne statt, sondern im Stadtraum, in Umkleidekabinen eines Fußballvereins, einer Einkaufspassage, in einem Klassenzimmer oder Fitnessstudio.

„Fallhöhe“ wurde vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft gefördert und im Rahmen des Programms Kreativ.Quartiere Ruhr, einem Projekt der ecce GmbH durchgeführt, ein weiterer Stein in der Entwicklung des Innenstadt-Quartiers. Das zentral liegende, ehemalige Kaufhof-Gebäude ist zwar kein Hochhaus, aber eine gute Aussichtsplattform über das Quartier und dessen Potential. So gewinnt man neue Perspektiven.

„Fallhöhe“ ist weniger Theater, dafür eine große, interdisziplinäre Installation, ohne Pausengong, Platzkarte und begrenzter Zuschauerzahl. Das Projekt besteht einerseits aus den Ergebnissen der gemeinsamen Netzwerkforen im Vorfeld, die nun zu einem großen Ganzen zusammengeführt wurden. Andererseits sind auf dem Weg der Konzeption Dinge und Ideen entstanden, die in die fertige Produktion übernommen wurden. Wie etwa die beiden Skulpturen, die an der Außenfassade des Gebäudes ihren Platz gefunden haben und dem Publikum den Weg zum Eingang weisen. „Von dort aus ging es vier Etagen aufwärts, was schon eine körperliche Leistung ist. Ein Komponist bespielte zusammen mit einem Countertenor das Treppenhaus, während das Publikum nach oben stieg, während sich dabei die Höhe des Gesanges mit der Höhe des Raumes allmählich veränderte.“

Zudem haben die Macher einen Dronenfilm produzieren lassen: Einen Flug über das Kreativ.Quartier, der ebenfalls im Treppenhaus zu sehen war, und vom Publikum als interaktive Video-Installation mittels Filtern verändert werden konnte – als Willkommensgruß und thematischer Einstieg.

Die oberste Etage wurde für „Fallhöhe“ in unterschiedliche Themenräume aufgeteilt. In einem Seminarraum ging es um die Fragen der Höhenangst (Akrophobie), die mit dem Fallen und Aufsteigen verbunden sind. In einem Kinosaal kam der Film „Taxi Hamm“ zur Aufführung. „Dafür haben wir uns von Jafar Panahis Doku-Fiction ‚Taxi Teheran‛ inspirieren lassen,“ erzählt Bell. „Darin fährt ein Taxifahrer durch Teheran, Fahrgäste steigen ein und aus; es entwickeln sich kleine Geschichten über die Gesellschaft. Daran anknüpfend haben wir eine Fahrt durch Hamm inszeniert. Wir waren zehn Tage in Hamm unterwegs, haben Menschen auf der Straße angesprochen und mit ihnen Gespräche über die Stadt geführt.“

Ein weiterer Raum gehörte der bildenden Künstlerin Tanja Prill und ihrer Bilderserie zum Thema Fallen. Daneben waren Live-Kompositionen von Roman D. Metzner zu hören, der die Stimmen des Publikums mit den Musiken und Tonspuren anderer Projekte zusammenführte. „Ein sehr atmosphärischer Raum, wo man durch ein großes Fenster über die gesamte Innenstadt schaut. Ein Ort mit Ausblick und Einblick“ schwärmt Erpho Bell. Danach folgte ein Schwarzlichtraum. „Darin ging es um das Kreativ.Quartier Hamm.Mitte. Eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Künste, wo stehen wir, wo wollen wir hin?“

Die Macher des Treibkraft.Theater haben den BesucherInnen im Anschluss einen Stadtplan mitgegeben, der zeigte, was es alles bereits an Kunst und Kultur im Viertel gibt. „Wir haben das Publikum eingeladen, das Kreativ.Quartier mit der Karte zu durchwandern, dabei eigene Ideen und Visionen aufzunehmen und diese am Ende beim Abschlusskonzert der „Abrocats“ vor der historischen ‚Pohls Mühle‛ am östlichen Rand des Quartiers bei uns wieder abzugeben.“ Weil dieses groß konstruierte Projekt so einmalig und besonders war, wurde es von einem Dokumentarfilmer begleitet. Das Ergebnis hatte eine Woche später Premiere im Kleist-Forum. Für Erpho Bell und seine Theater-Kollegen ist „Fallhöhe“ Grundlage für weitere Projekte im kommenden Jahr: „Das ist der Weg, den wir weiter gehen wollen.“

 

„Fallhöhe“ ist eine Produktion des Treibkraft.Theater Hamm mit Katja Ahlers, Erpho Bell, Matthias Damberg. Außerdem mit: Robert Biermann, Ario Dawin, Heinz Feußner, Ahmad Kiki, Roman D. Metzner, Aaron Perry, Tanja Prill, Arno Weber, Tim Wegner. Sowie: Abrocats & The Royal Squeeze Box, Caro Post und Mara Woste.

 

Text: Volker K. Belghaus