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Die Tragödie im Exil – El Ojo de Hamlet NIRGENWO

© Sebastian Becker/ecce

Premiere am 25.11.2018 im Dortmunder Theater im Depot: Eine Schauspielgruppe bringt die Tragödie Venezuelas verwoben mit dem eigenen Schicksal auf die Bühne.

Große Kunst im kleinen Rahmen

Im engen Keller eines Mehrfamilienhauses am äußersten Rande Dortmunds unternimmt eine bewegende Geschichte ihre entschlossenen Schritte in Richtung Bühne. Die Wände sind abgehängt, die Decke sorgfältig geschwärzt. Ein Beamer hängt an der Decke und neben dem Tisch mit der Technik haben lediglich fünf Stühle für BesucherInnen ihren Platz gefunden. Die Atmosphäre ist so intensiv wie selten in einem Theater, das Schauspiel der beiden AkteurInnen so unmittelbar und nah, dass nicht nur der Raum dadurch an Größe gewinnt. Sie überzeugen, indem sie ihr Innerstes auf beeindruckende Weise nach außen tragen – hier bei der Generalprobe von ''El Ojo de Hamlet NIRGENDWO''. In Anlehnung an Shakespeares berühmte Tragödie und ''Die Hamletmaschine'' von Heiner Müller befasst sich das Stück des venezolanischen Autors Jorge Gogollo mit dem Leben im Exil – was es mit einem macht, wenn man plötzlich kein vertrautes Zuhause mehr um sich hat und weit entfernt von Familie und Freunden mit der Notwendigkeit zur Existenz konfrontiert wird. Wie sich das anfühlt, wenn man eigentlich nur zurückkehren möchte, auch wenn das mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod bedeuten würde. Möglicherweise erträglicher, als hier innerlich zu sterben?

Eine Geschichte, stellvertretend für Millionen von Hamlets

Es ist eine Geschichte, die sich an unzähligen Orten ständig wiederholt – sie steht stellvertretend für Millionen von Einzelschicksalen. Auch die Lebensgeschichte der Theatermachenden spiegelt sich darin wider: Cynthia Scholz und Chino Monagas sind als Profis nach Deutschland gekommen, aber eben auch als Flüchtende in ein unbekanntes Land mit neuer Sprache. In Venezuela hatten sie neben ihrer Bühnenarbeit als etablierte KünstlerInnen noch Engagements in Filmen und Telenovelas. In Deutschland mussten sie noch einmal ganz von vorne anfangen. Den Traum vom eigenen kleinen Theater tragen sie dabei fest im Herzen, nur ist das leider nicht so einfach. Allein sprachbedingt waren es bisher eher kleine Schauspielrollen, die sie in der freien Theaterszene Dortmunds übernehmen konnten. Im Rahmen der Individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung haben sie nun endlich die Gelegenheit, tiefer anzusetzen und sich über das Projekt auch als Theatermachende nachhaltig ins Gespräch zu bringen. Und schaffen damit hoffentlich die Voraussetzungen, um bald wieder von ihrer Arbeit leben zu können.

Potential findet einen geschickten Neubeginn

Das scheint durchaus realistisch, wenn man sieht, was sie bereits mit kleinen Mitteln auf die Beine gestellt haben: ein faszinierendes Wechselspiel nicht nur zwischen den Figuren und den Sprachen, sondern auch mit fein ausgearbeiteten Videoanimationen. Hinzu kommen aufwendige Kostümierungen mit geschickten Tricks – wenn beispielsweise das aus einem T-Shirt zurecht geschnittene Halstuch binnen Sekunden zur überzeugenden Sturmmaske transformiert.

Das Design und die Beleuchtung haben die Kinder Selma und Rodolfo übernommen. Als JungschauspielerInnen sind sie bereits in die Fußstapfen der Eltern getreten, nun eröffnen sich hinter der Bühne zusätzliche Räume. Und schon wünscht man sich noch mehr, dass das eigene Theater möglichst bald Wirklichkeit wird.

Der Schmerz sitzt tief – aber da ist auch Dankbarkeit

Der Schmerz der Familie über den Verlust der Heimat sitzt tief. Venezuela ist ein Land in Ohnmacht – ein Ort, an den sie nicht heimkehren, den sie zugleich aber auch nicht loslassen können. Diese innere Zerrissenheit ist sowohl auf als auch hinter der Bühne unmittelbar spürbar. Aber da ist ebenso Dankbarkeit. In Dortmund haben sie einen Ort gefunden, an dem Platz ist für ein Leben und Raum, um ihre Ideen zu verwirklichen. Nun wird man schauen müssen, wie es sich entwickelt. Unter dem Namen ihrer ursprünglichen KünstlerInnengruppe El Bigote de Dali Teatro  wird man wohl zukünftig mehr von ihnen hören.

Termine

16. Februar 2019, 19:30

Aufführung im Rottstr5 Theater Bochum

 

 

25. November 2018, 18h

Premiere im Theater im Depot in Dortmund

Tickets unter 0231.9822336

Das Stück wird live via facebook übertragen

 

Team

Übersetzung:                      Carolina Gomez Musaku und Beate Conze

3D- Video und Animation: Ismael el Chino Monagas

Design:                                Salma Parra

Bühnenbeleuchtung:         Rodolfo Parra Rollenbesetzung

Hamlet:                                Ismael el Chino Monagas

Ophelia:                               Cynthia Scholz

Produzentin:                       Beate Conze

Regisseurin:                        Cynthia Scholz Termine 

 

Weitere Informationen zum Projekt gibt es hier

 

Text: Marius Hanke