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Das Rezyklat lädt zum Recycling ein

Künstlerisches Recyclingprojekt in der City Nord.Essen schenkt Kunststoffabfall neues Leben

© Dominik Antoni

Aus Alt mach Neu. Seit Juli 2022 entsteht in der City Nord.Essen mit dem Projekt Kunst.Stoff., gefördert im Rahmen des Programms Kreativ.Quartiere Ruhr durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, eine Werkstatt für experimentelles Kunststoffrecycling: Das Rezyklat. Die Gründer Steffen Hartwig und Dustin Jessen sammeln lokale Kunststoffabfälle, sortieren sie und verarbeiten sie zu neuen Produkten. Warum dies auch Ästhetik neu definiert.

Der erste Precious Plastic Standort im Ruhrgebiet

Mit dem Projekt Kunst.Stoff. schlossen sich die Gründer des Rezyklats Steffen Hartwig und Dustin Jessen der internationalen Precious Plastic-Initiative an. In Analogie zum englischen precious metals (dt.: seltene Erden) rief der niederländische Designer Dave Hakkens 2012  Precious Plastic (dt.: kostbarer Kunststoff) ins Leben, mit dem Ziel Menschen dafür zu sensibilisieren, dass Kunststoff ein endlicher, aber unverzichtbarer Rohstoff ist und mit entsprechender Sorgfalt und Wertschätzung behandelt werden soll. Mittlerweile ist ein globales Netzwerk mit rund 1.000 Standorten und 80.000 Akteur*innen entstanden. Ein bereits erreichtes Etappenziel von Steffen Hartwig und Dustin Jessen: auf der digitalen Karte des Precious Plastic-Netzwerks befindet sich mit dem Rezyklat der erste Punkt im Ruhrgebiet.

 

Kunst. Stoff. Machen.

Schritt für Schritt möchte die Initiative Plastikmüll reduzieren und beschreibt sich selbst als ein Zusammentreffen von Menschen, Maschinen, Plattformen und Wissen, um ein Recyclingsystem zu kreieren, an dem möglichst viele Menschen teilhaben. Zum Workshop „Kunst.Stoff.Machen.“ lud das Rezyklat am 24. Februar 2023 in ihre Werkstatt in der Ateliergemeinschaft Beisingstraße in der City Nord.Essen ein. Teilnehmende erfuhren, wie Kunststoffabfall sortiert, zerkleinert und zu neuen Dingen verarbeitet wird. Zunächst sortierten die Teilnehmenden den Kunststoff nach Art und Farbe, denn Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff – diese Botschaft ist den beiden Designern sehr wichtig. Sie verarbeiten ausschließlich High-Density-Polyethylen (HD-PE) mit der Recycling-Kennzeichnungsnummer 02 und Polypropylen (PP) mit der Nummer 05. Das Material stammt aus Privathaushalten, aber auch bei lokalen Institutionen und Unternehmen wie dem Essener Uniklinikum oder dem Großmarkt holt sich das Rezyklat sauberen Kunststoffabfall ab.

 

Aus zerkleinerten Joghurtbechern entsteht ein Taschenspiegel

Ein Schredder, eigens durch Steffen Hartwig und Dustin Jessen für ihre Zwecke modifiziert, zerkleinert die nach Kunststoffart vorsortierten Joghurtbecher, Shampoo-Verpackungen oder Plastikstühle. Das Kunststoff-Granulat dient als Ausgangspunkt für die künstlerische Auseinandersetzung. Die Teilnehmenden stellten individuelle Farbmischungen zusammen und gaben sie in den Trichter einer Spritzgussmaschine, welche die Kunststoffschnipsel für die Weiterverarbeitung aufschmilzt. Steffen Hartwig baute die Maschine nach Open Source Plänen, welche die Precious Plastic Community zur Verfügung stellt und fortwährend weiterentwickelt. Per Handhebel wird der Kunststoff in Formwerkzeuge gepresst. So entstehen wahlweise Taschenspiegel oder Kleiderhaken in bunten Farben. Dustin Jessen berichtet: „Die Teilnehmenden und auch wir sind jedes Mal aufs Neue überrascht, wenn wir das Formwerkzeug öffnen und sehen, wie die unterschiedlich farbigen Kunststoffpartikel in der Form zusammengeflossen sind.“

 

Die Magie des Zufalls als neue Ästhetik

Das Öffnen der Form ist ein spannender Moment, denn die Farben vermischen sich auf einzigartige Weise. Die Industrie sieht diesen Effekt als Fehler an, aber Steffen Hartwig und Dustin Jessen betonen, dass durch Recyclingprozesse neue Ästhetiken entstehen, für die sie mit ihren Produkten für mehr Akzeptanz werben wollen: „Wenn man Kunststoff auf manufaktorische Weise verarbeitet, passieren ständig Dinge, die nicht planbar sind. Für uns als Designer, die ja gerne alles planen wollen, bedeutet das auch ein Umdenken – weg vom Wiederholbaren, Identischen, vermeintlich Perfekten, und hin zum Unplanbaren, Ungleichen, Einzigartigen.“ In der Werkstatt des Rezyklats soll Kunststoff durch die künstlerische und gestalterische Auseinandersetzung zum Diskussionsstoff werden. Dazu ist im Verlauf des Jahres der Bau von weiteren Maschinen und Werkzeugen in Planung, auch das Produktportfolio möchten die beiden Gründer erweitern.

 

Wer experimentell mit Kunststoff arbeiten möchte, ist herzlich zu einem der kommenden Workshops eingeladen. Die aktuell geplanten Veranstaltungen sowie alle Informationen zur Anmeldung sind auf www.dasrezyklat.de zu finden.

 

24.03.2023 Superraum, Dortmund
25.03.2023 PACT, Zeche Zollverein, Essen
16.06.2023 Ateliergemeinschaft Beisingstraße, Essen


Text: Das Rezyklat, ecce GmbH