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Blicke hinter die Fassade - Silke Schönfelds filmische Werkreihe

Die junge Künstlerin Silke Schönfeld dringt gerne in verfängliche Themenbereiche vor, die andere lieber meiden – dabei geht sie sehr unbefangen vor, blickt neugierig hinter den Vorhang aus Vorurteilen, um sich dann den dort entdeckten Ambivalenzen zu widmen.

© Silke Schönfeld

Diese Herangehensweise zeigt sich sehr deutlich in ihrem jüngsten Filmprojekt imagined communities | invented traditions, in dem sie den Fokus auf die Identitäre Bewegung richtet. Dabei stellt sie sich mutig dem hierzulande mit immer lauteren Stimmen vertretenen rechten Gedankengut - mit Blick auf die Menschen und ohne moralische Verurteilung. Was nicht leicht ist, wenn die eigene Lebenswelt infrage gestellt wird.

''Probleme bestehen eigentlich nie zwischen zwei Menschen''

 

Silke Schönfeld ist neugierig und hat eine besondere Gabe: Sie kann relativ unbefangen und offen an Dinge herantreten, schaut lieber erst genauer hin, bevor sie selbst ein Urteil fällt. Also nimmt sie das so oft belächelte Gesprächsangebot rechter Bewegungen wahr und fährt zum Haus der Kontrakultur in Halle an der Saale, um einen direkten Blick auf die Identitäre Bewegung zu werfen. Trotz grundsätzlicher Ablehnung der dort vertretenen politischen Meinung ist sie beeindruckt von der Rhetorik und der intellektuellen Hingabe, mit der die AktivistInnen ihre Standpunkte vertreten. Darüber hinaus findet sie es bedenklich, wie konsequent oft geurteilt wird: Wir empfinden eine Ideologie als unmenschlich, also nehmen wir die VertreterInnen dahinter auch nicht mehr als Menschen wahr. Eine fatale Sichtweise, hat Schönfeld doch vor einiger Zeit bei einem Auslandsaufenthalt in Israel im Austausch mit Menschen verschiedenster Religionen nur allzu deutlich festgestellt: Probleme bestehen eigentlich nie zwischen zwei Menschen. Vielmehr sind es die Feindbilder, mit denen wir sozialisiert werden. Deshalb sollte man mit den Leuten reden, um einen direkten Eindruck zu bekommen. (Was natürlich nicht bedeutet, dass man ihre politischen Ansichten teilen muss.)

Als sie sich auf den Weg macht, ist sie trotz ihrer Vorerfahrungen doch ziemlich nervös – denn in Israel war sie als Außenstehende dabei. Hier ist es nun ihre eigene Gesellschaft, die infrage gestellt und angegriffen wird.

Fernab der Selbstdarstellung sieht vieles schon ganz anders aus – irgendwie … kleiner

Bei ihrem Aufenthalt in Halle trifft Schönfeld auf AktivistInnen der Bewegung, doch sie haben entweder keine Zeit für sie oder die Interviews gehen nicht so weit in die Tiefe, wie sie sich das ursprünglich erhofft hatte. Hier ergeben sich hoffentlich in der Zukunft Anknüpfungspunkte, um sich näher mit den Menschen hinter der Bewegung zu beschäftigen. Mehr Glück hat sie beim Besuch der Schauplätze diverser Aktionen von Ein Prozent e.V., wo sich spannende Erkenntnisse offenbaren. Denn was in der Selbstdarstellung der AktivistInnen oft sehr weitreichend und groß erscheint, sieht bei näherer Betrachtung wesentlich kleiner aus – beispielsweise die über die sozialen Medien groß verlautete Aktion, einen Zaun um ein Flüchtlingslager vor Ort zu ziehen. In Wahrheit wurde bloß der angrenzende Bereich eines einzelnen Grundstücks abgezäunt, weil hier zufällig ein Mitglied der Bewegung wohnt. In Standbildern mit Text stellt Schönfeld die Schilderung dieser politischen Aktionen den eigentlichen Orten des Geschehens gegenüber – und bietet damit einen sehr nüchternen Blick auf das, was ohne die erhöhte Selbstdarstellung und die Weiterführung in den Medien von den ursprünglichen Ereignissen überhaupt noch bleibt. Die große Dynamik der Bewegung wird so abrupt entzaubert.

Von Mönchszügen mit Fackeln und Bräuchen wie aus einer anderen Welt

Bei der Vorab-Recherche für den Besuch in Halle hatte sich zudem der Impuls für einen weiteren Film ergeben. Denn im kleinen Dorf Oybin, wo Ein Prozent e.V. seinen rechtlichen Sitz hat, gibt es einen zweiten spannenden Verein, der historische Mönchszüge mit Fackeln veranstaltet. Also reist Schönfeld an den äußersten Zipfel im Südosten Sachsens, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die Mitglieder von Historische Mönchszüge – Berg Oybin e.V. nehmen sich gerne die Zeit und sie bekommt die Gelegenheit, einen der nächtlichen Züge filmisch zu begleiten. Schönfeld ist fasziniert von dieser mit ganzer Leidenschaft gelebten, doch letztendlich erfundenen Tradition. Denn während die ursprünglichen Mönche nur bis zum 16. Jahrhundert hier lebten, entstammen die nun zelebrierten Bräuche und Lieder hauptsächlich dem frühen 20. Jahrhundert. Auch die Religion spielt hier bloß eine untergeordnete Rolle – vielmehr sehen sich die Mitglieder des Vereins als Gemeinschaft, die gemeinsame Werte teilt und menschlich zusammenhält. Die Einblicke bilden eine spannende Grundlage für einen zweiten Film, sodass sich das Ursprungs-Projekt zu einer Werkreihe entwickelt, die im Zeichen der ''invented traditions'' steht. Gemeinsam übrigens mit einem weiteren Film über das Maibrauchtum im Rheinland, wo einmal im Jahr die ledigen Frauen des Dorfes versteigert werden. Ebenfalls eine Tradition, die wie aus der Zeit gefallen scheint und spannende Ambivalenzen offenbart. Es lohnt sich also, diesbezüglich ein Auge auf die nächsten Ausstellungstermine der Künstlerin zu haben.

Endlich ausreichend Raum für Geschichten – die Künstlerin hinter dem Projekt

 

Als Künstlerin angefangen hat Schönfeld mit der Malerei – bis das Medium nicht mehr gereicht hat für jene Geschichten, die sie zu erzählen hatte. Über die Fotografie und Video-Installationen ist sie schließlich beim Film angelangt. Hier hat sie den notwendigen Freiraum, um sich ganz auf ihre Weise den Themen anzunähern und sie auf besondere Weise zu beleuchten. Das macht sie auf sehr vielfältige Weise: Als Mitglied des Salon Ateliers  im Dortmunder Unionviertel ist sie Mitinitiatorin von künstlerischen Konzepten, bei denen die KünstlerInnengruppe oftmals in die direkte Interaktion mit den AnwohnerInnen tritt. So wurde beispielsweise das Atelier zeitweise in einen Friseursalon und in ein Kampfkunststudio umgewandelt. 

Dabei hat die IKF schon mehrfach die Verwirklichung von Schönfelds Projekten ermöglicht – durch das Stipendium  entstand 2017 der essayistische Dokumentarfilm Das Böse - das sind die anderen  und durch den Förderbereich Künstlerische Aktionen  wurden das Kampfkunststudio Krav Mega  sowie die vorliegende Arbeit realisiert. Bei imagined communities | invented traditions  erfolgte eine Professionalisierung der Postproduktion, indem Tonmeister und Editor engagiert werden konnten. 

 

Weitere Informationen zu Silke Schönfeld gibt es auf ihrer Website

 

Text: Marius Hanke

Termine

08. März 2019, 19h

Filmpräsentation

Rekorder 2

Scharnhorststraße 68, 44147 Dortmund


12. April, 19h

Videopräsentation

PACT Zollverein

Bullmannaue 20A, 45327 Essen