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Stadt leben und beleben als Gemeinschaft – Knotenpunkt #wostspitze

Wie erreicht man mit Ideen nicht nur die Kreativszene, sondern auch die ganz normalen AnwohnerInnen? Wie bringt man die Köpfe und Herzen eines Quartiers zusammen, um gemeinsam die Lebensqualität eines Viertels zu verbessern? Das Bochumer Projekt #wostspitze schafft im Rahmen des Förderprogramms Kreativ.Quartiere Ruhr einen Brückenschlag zwischen den Welten – menschlich, gedanklich und räumlich.

 

© Sebastian Becker/ecce

Neuland entdecken – mit viel mehr als nur einem Konzert

Ein lauschiger Abend in einer gemütlichen Bar an einem halb vergessenen Ort in Bochum. Zwei junge Musiker präsentieren mit sichtlicher Freude Auszüge aus ihrem noch recht frischen Repertoire. Währenddessen bringt ein Live-Zeichner ihre Gesichter in bunten Farben auf die Leinwand und fügt den Sinneseindrücken so weitere Facetten hinzu. Die wohlige Atmosphäre im Raum fängt die Kälte und Dunkelheit des beginnenden Winters mit freundlichen Armen ab. Man kann hier wundervoll für einen Moment aus dem Alltag austreten und es fühlt sich nach Gemeinschaft an. Kein Wunder – unter den gut 30 Gästen sitzen einige jener Menschen, die sich mit ganzem Herzen ins Stadtgeschehen einbringen. Man kennt und supportet sich. Aber natürlich ist man auch hier, um die gute Stimmung in noch besserer Gesellschaft zu genießen.

Die Bar trägt den verheißungsvollen Namen Neuland – und damit könnte es wohl keinen passenderen Ort geben für das, was hier seinen Anfang gefunden hat. Denn die Veranstaltung „Ton Ohne Strom“, die jungen MusikerInnen wie hier Cedric Kostarellis begleitet von Daniel Lavelle und Linda Bockholt eine Bühne bietet, ist nur ein kleiner Teil des Projekts #wostspitze, das sich im Quartier Westend/Ostspitze formiert hat. Es gibt Workshops rund um die Selbstständigkeit in der Kunst, Lesungen, sogar ein kleines Punkfilmfestival. Und natürlich Entwicklungstreffs. Immerhin geht es nicht bloß um einzelne Aktionen, sondern um nachhaltige Veränderung.

Einem halb vergessenen Viertel gemeinsam Schubkraft verleihen

Als Initiatoren haben Bar-Betreiber Andreas Browa und Gründungs-Berater Jens Behling weitere AkteurInnen um sich versammelt, um endlich Dinge zu bewegen, die schon viel zu lange stillstehen. Weil das Quartier dringend neuen Schub braucht. Und ein funktionierendes Netzwerk aus all den Menschen, die hier gerne leben und ihre Umgebung mitgestalten möchten. Mit kleinen und großen Ideen.

Getragen wird das Projekt von zwei großen Gedanken: Auf der einen Seite ist da der Wille, der Rottstraße zu neuem Leben zu verhelfen – jenem Straßenzug, der einst als verbindende Trasse zwischen Innenstadt und Jahrhunderthalle gedacht war und dann vorerst vergessen wurde. Auf der anderen Seite geht es darum, sich zu vernetzen – untereinander aber auch quartiersübergreifend. Viele Projekte schaffen Neuerungen für die kreative Szene. Das funktioniert, doch die eigentlichen BewohnerInnen des Viertels bleiben oft auf der Strecke. Sie zu erreichen und mitzunehmen ist die eigentliche Kunst. Auch #wostspitze wird das nicht sofort erreichen, doch die Grundsteinlegung läuft: Unter anderem mit einem Videoprojekt, dass Charaktere von hier zu Wort kommen lässt und damit zum Vorschein bringt, was das Viertel im Innersten ausmacht. Ein Anfang, auf den noch vieles folgen wird.

Sprachrohr für die Belange der AnwohnerInnen

Das Projekt möchte zum Sprachrohr für die AnwohnerInnen werden. So hat sich in Gesprächen herausgestellt, dass nachts durchfahrende LKWs in Verbindung mit zahlreichen Schlaglöchern das Wohngefühl in der Rottstraße dämpfen. Also besteht einer der nächsten Schritte darin, einen Bürgertreff mit der Bezirksbürgermeisterin anzuregen und dann über konkrete Lösungen zu sprechen. Gemeinsam hat man gute Chancen, endlich etwas zu bewirken.

Als Bar-Betreiber bekommt Browa viel mit von dem, was in seiner Nachbarschaft passiert. Und auch Behling setzt sich seit einigen Jahren intensiv mit dem Viertel auseinander – ursprünglich mit beruflicher Motivation, nun mit dem persönlichen Wunsch, dem Quartier zu neuer Identität zu verhelfen. Die beiden sind zuversichtlich, hier noch viel zu erreichen.

In der Tat zeigt der Community-Gedanke bereits erste Erfolge: Live-Zeichner Artur Fast ist am Musikabend im Neuland spontan dazugestoßen, um zu supporten. Außerdem hat kürzlich ein Unternehmer seinen Standort ganz bewusst in die Rottstraße verlagert und dem Projekt zehn Bildschirme gespendet. Es bestehen schon kreative Ideen zur Verwendung – aber das wird man dann bei einem Gang durchs Quartier feststellen.

Text: Marius Hanke

Fotos: Sebastian Becker